Die medizinische Verfahrenstechnik vereint modernste Technologien und wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Bereichen Biomaterialien und Grenzflächenverfahrenstechnik für medizinische Anwendungen. Sie umfasst die Entwicklung biokompatibler Materialien für Implantate, Geweberegeneration und die kontrollierte Freisetzung von Medikamenten sowie die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Materialien, Zellen und biologischen Systemen. Gleichzeitig werden Prozesse in mehrphasigen Systemen entworfen, um Diagnosen und personalisierte Therapien zu optimieren, während Oberflächen und Grenzflächen analysiert werden, um die Sicherheit und Effizienz in der Medizin zu verbessern.
Polymerverarbeitung
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Electrospinning
Der am meisten verfolgte Ansatz für das funktionelle Tissue Engineering des Instituts für Mehrphasenprozesse ist das (Melt-) Electrospinning. Mit Hilfe dieses Verfahrens können Nano- bis Mikrometer große Fasern in einer Art Vlies verarbeitet werden. Fernziel ist dabei die Ausbildung von natürlichem Gewebe in Form eines Scaffolds (Gerüststruktur) für die Verwendung als Implantatmaterial. Daraus ergeben sich Anwendungsfelder, wie Gefäßprothesen, Sehnenersatzkonstrukte, Nervenleitschienen oder Herzklappenprothesen.
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Electrospraying/Air-Flow
Eine weitere Anwendung stellt das Electrospraying dar. Entgegen des geläufigeren Electrospinnings kommt es hierbei zu einer Zerstäubung einer geeigneten Polymerlösung. Das resultierende Spray enthält feine, hoch unipolar geladene Tropfen mit einer schmalen Größenverteilung. Auf diese Weise lassen sich auch Zellen in die resultierenden Beads einbetten. Für die Außenhülle wird beispielsweise Alginat als degradierbares Biopolymer verwendet, damit die Zellen mit einer zeitlichen Verzögerung freigegeben werden können. Beim Air-Flow-Verfahren werden die Alginattropfen mit Druckluft aus der Kanüle befördert.
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Hydrogele
Under construction.
Blutverarbeitung
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Blutverarbeitung
Under construction.
Mikrofluidik
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Partikelsynthese
In vielen biologischen, chemischen und technischen Fragestellungen kommen heute Mikropartikel zum Einsatz. Sie dienen unter anderem zur Zellkultivierung oder Materialanalyse. Die präzise Kontrolle des Partikelvolumens und des Koaleszenzverhaltens einzelner Mikropartikel erlaubt unter anderem die Analyse und Charakterisierung von chemischen Reaktionen im Mikro-Bereich. Zur Synthese dieser Partikel werden am Institut für Mehrphasenprozesse Verfahren der Droplet-Based-Mikrofluidik genutzt. Es kann dabei auf ein breites Spektrum vom Hydrogel- und Polymermischungen für die Partikelsynthese zurückgegriffen werden. Zusammen mit verschiedenen Kooperationspartnern werden verschiedene Verfahren zur Mikofluidsystemherstellung genutzt, sodass die Mikrokanalauslegung angepasst an die entsprechende Fragestellung erfolgen kann.
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Artifzielles Blut
Aufgrund der Mehrphasigkeit humanen Vollblutes stellt die strömungsmechanische Untersuchung eine große Herausforderung dar. Häufig wird deswegen für die Strömungsanalyse auf einphasige Ersatzfluide zurückgegriffen, mit denen die physiologische Hämodynamik jedoch nur vereinfacht dargestellt werden kann.
Das IMP forscht derzeit an der Etablierung eines mehrphasigen Blutersatzfluides um in Untersuchungen das physiologische strömungsmechanische Verhalten des Blutes genauer abbilden zu können. Dabei werden experimentelle und numerische Verfahren genutzt, die auf die Analyse von (wandnahen) Blutströmungen in Gefäßimplantaten ausgelegt sind. Die experimentellen Untersuchungen erfolgen dabei mittels Particle Image Velocimetry (PIV).
Implantatentwicklung
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Nervenleitschienen
Traumatische Verletzungen und Substanzverlust peripherer Nerven führen häufig zu lebenslangen körperlichen Einschränkungen. Als Goldstandard erfolgt die Rekonstruktion längerer Nervendefekte durch autologe Nerventransplantate, die aber wegen des kompletten Funktionsverlustes des Spendernervs nur begrenzt verfügbar sind. Biosynthetische Nervenleitschienen mit innovativen stimulierenden Materialeigenschaften können Alternativen zu den auf dem Markt erhältlichen schlauchförmigen Implantaten mit sehr variablem Regenerationserfolg bieten. Die entwickelte Nervenleitschiene mit piezoelektrischen Eigenschaften soll über mikroelektrische Impulse das gerichtete axonale Wachstum beschleunigen und damit lange Regenerationszeiten deutlich verkürzen.
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Sehnenersatz
Im Rahmen des Forschungsprojektes FOR 2180 arbeiten wir in einem interdisziplinären Team an der prinzipiellen Machbarkeit und modellhaften Herstellung eines gradierten Implantats für einen zukünftigen Einsatz am Sehnen-Knochen-Übergang der Rotatorenmanschette. Als Grundmaterial dienen elektrogesponnene Fasermatten aus bioabbaubaren Polymeren, wie Polycaprolacton mit einem gerichteten („sehnenseitig“) bzw. ungerichteten („knochenseitig“) Faserverlauf. Die Fasermatten werden durch geeignete Maßnahmen, z. B. das Einbringen von im physiologischen Milieu löslichen „Opferfasern“, hinsichtlich der Zwischenräume der Fasern und Permeabilität so eingestellt, dass das Überleben und die Funktion einwandernder Zellen gefördert werden sowie der Transport von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten möglich ist. Weiterhin werden die mechanischen Eigenschaften an die in vivo-Situation angepasst.
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Wundheilungsmembranen
Under construction.
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Muskelstimulation
Under construction.
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Drug Delivery
Nach einem Schlaganfall oder Myokardinfarkt ist Thrombose eine lebensbedrohliche und häufige Folgeerscheinung. Deswegen werden neuartige Strategien implementiert, um biomimetische Materialien zu entwickeln, die lokal Antikoagulanzien abgeben können. Hierfür kann und wird auch das Electrospinning genutzt, um solche sogenannten Drug Delivery Systeme herzustellen. Eine erfolgreiche Einbettung von Antikoagulanzien in Faserkonstrukten kann das Risiko einer Thrombose signifikant reduzieren. Ferner ist die Herstellung und Charakterisierung eines Dual Delivery Systems aus Biopolymeren, das zwei oder mehrere Pharmazeutika beinhaltet, ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung einer Thrombose und damit Gegenstand der Forschung.
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Oberflächenmodifikation von Cochlea-Implantaten
Die Fibrose im Bereich der Elektroden von Cochlea-Implantaten führt zu einer erhöhten Impedanz, einer unvorhersehbaren Reizausbreitung sowie einem erhöhten Energiebedarf der Implantate. Am Institut für Mehrphasenprozesse werden im Elektrospinnprozess Mikrostrukturen auf die Oberflächen von Stimulationselektroden aufgebracht. Bei diesen Mikrostrukturen handelt es sich um dünne Fasern aus Silikonelastomer. Das hydrophobe Faservlies aus Silikon reduziert die Adhäsion von Fibroblasten, ohne die elektrischen Eigenschaften des Implantats zu beeinträchtigen. Zudem kann das Faservlies als Reservoir zur Freisetzung von entzündungshemmenden Stoffen und neurotrophen Wachstumsfaktoren genutzt werden, um ein Wiederaussprießen der Nervenzellen im Innenohr zu ermöglichen.
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Gefäßprothesen
Synthetische bieten gegenüber biologischen Prothesen den Vorteil, dass sie standardisiert in großer Stückzahl herstellbar und daher jederzeit verfügbar sind. Sie bergen jedoch den Nachteil, dass sie während der kompletten Implantationsdauer einen Fremdkörper für den menschlichen Körper darstellen. Die Patienten sind zur Einnahme von Medikamenten, wie Gerinnungshemmern gezwungen. Eine Alternative bietet in diesem Kontext dieHerstellung von Prothesen aus Eigenblut. Hierbei wird das autologe Material so verarbeitet, dass daraus in Implantat entseht, welches für den Körper keinen Fremdkörper darstellt. Dieses Implantat kann mittels Tissue Engineering zusätzlich mit körpereigenen Zellen besiedelt werden. Das Implantat wird nach der Implantation vom Körper kontinuierlich abgebaut, wodurch ein vollständig körpereigener Gewebeersatz verbleibt.
Prüfung und Charakterisierung
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Mechanische Prüfung
Die erfolgreiche Entwicklung einer Gefäßprothese unterliegt hohen Anforderungen. Neben der biologischen Verträglichkeit der Gerüststruktur sind hohe mechanische Anforderungen zu erfüllen. Hierfür ist ein Zugprüfstand entwickelt worden, welcher es ermöglicht, Zugprüfungen unter physiologischen Temperaturbedingungen durchzuführen. Dieses System ist so aufgebaut, dass verschiedene Geometrien und Zugrichtungen in radialer und axialer Richtung geprüft werden können.
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Rheologische Charakterisierung
Under construction.
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Durchflussmessung
Des Weiteren wurde ein Biegeprüfstand entwickelt, welcher das Durchflussverhalten von Gefäßprothesen in Abhängigkeit des Biegewinkels ermittelt. Das Gesamtprüfsystem besitzt ein Kreislaufsystem, dass den Druck und die Strömung über die Einstellung der Höhendifferenzen realisiert. Mit Hilfe von Druck- und Temperatursensoren sowie einem Thermostat werden Kennwerte aufgenommen und konstante Prüfbedingungen geschaffen.
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Qualitätskontrolle/Wiederholgenauigkeit
Zur Sicherstellung und Bestimmung der Qualität und Wiederholgenauigkeit der Proben werden zwei Methoden verwendet. Zum einen kann eine mechanische Charakterisierung erfolgen, bei der in einem uniaxialen Zugversuch die Längenänderung und Kraft bis zum Bruch aufgenommen wird. Eine weitere Methode stellt die Porositätsbestimmung dar, mit der die Konstanz des Hohlraumvolumens bestimmt wird.
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Herzklappentestung
Kalzifizierung
Als Kalzifizierung wird die Ablagerung von Calciumphosphatsalzen in Geweben bezeichnet. Diesem Prozess verdankt das Knochengewebe seine hohe Mineralisierung und die damit verbundene hohe Festigkeit. Es kann im menschlichen Körper allerdings auch zu einer unerwünschten, pathologischen Kalzifizierung kommen. So begrenzt die pathologische Kalzifizierung beispielsweise die Einsatzdauer von biologischen Herzklappenprothesen im Menschen. Für die Untersuchung der Kalzifizierungsneigung von biologischen Prothesen steht am IMP eine in-vitro Testanlage zur Verfügung. Diese erzeugt eine pulsatile Strömung und ahmt die physiologische Umgebung von Prothesen im kardiovaskulären Bereich nach. Die Untersuchung der Kalzifizierung in-vitro ermöglicht deutlich kürzere Versuchsdauern und geringere Kosten im Vergleich zu Tierversuchen.
Pulsatile Strömungstestung
Die in-vitro Testanlage eignet sich ebenso zur Durchführung von Dauerbelastungstests an pulsatil durchströmten Strukturen. Zudem kann mit dem Particle Image Velocimetry Verfahren das Strömungsfeld in der Umgebung dieser Strukturen visualisiert werden. Einflüsse von Materialveränderungen auf die Strömungsbedingungen können auf diese Weise untersucht werden.
Herzklappenprothesen
Sowohl genetische Defekte als auch Begleiterscheinungen von z. B. Myokarditis können zu einer Degradation von Herklappen oder einer Insuffizienz durch Kalzifizierung führen, die mitunter lebensbedrohlich werden können. Neben einer biologischen Herzklappenprothese oder einer Rekonstruktion der verbleibenden Klappe können sie auch durch eine mechanische Herzklappe ersetzt werden. Da diese jedoch eine ständige Medikation mit sich bringen, wird auch hier versucht mit Hilfe von elektrogesponnenen Herzklappen eine degradierbare Lösung zu entwickeln. Basierend auf geeigneter Bildgebung werden die geometrischen Bedingungen erfasst und die Scaffolds patientenspezifisch hergestellt. Die so hergestellten Herzklappengerüststrukturen sollen anschließend in vitro mit patienteneigenen adulten Stammzellen besiedelt werden. Das sich dadurch nachbildende Gewebe erfordert somit nur für den Zeitraum des Verbleibs der Gerüststruktur eine Medikation.
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Filterprüfung/Maskenprüfung
Under construction.
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Chemische Prüfung
Under construction.
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Blutverträglichkeit
In vielen biomedizinischen Anwendungen kommen Bauteiloberflächen in Kontakt mit einer strömenden Suspension aus Zellen und großen Molekülen. Diese reagieren auf Strömungseinflüsse, insbesondere auf die wirkende Scherspannung, die zu einer Aktivierung oder Schädigung führen können. Die Strömungsform hat damit einen wesentlichen Einfluss auf die an der Grenzfläche stattfindenden Prozesse. In der Arbeitsgruppe werden insbesondere Blutströmungen untersucht.
- Visualisierung und Analyse von Strömungsfeldern in natürlichen und künstlichen Herzklappen
- Gefäßprothesen und dynamische in vitro-Testsysteme zur Blutverträglichkeit
- Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Testkreisläufen für die Strömungsvisualisierung durch Particle Image Velocimetry (PIV)
- Beanspruchung von Zellkulturen mit Schubspannungen in einem Kegel-Platte-Bioreaktor
Ansprechperson
30823 Garbsen